Geschichte(n) der Schützengilde zu Sachsenhausen

Freischießen im Jahre 1912

Seit gut 450 Jahren begleitet die Schützengesellschaft (nachweislich) die Geschichte der Stadt Sachsenhausen.

1584 ist das derzeit ältestes Jahr eines Nachweises einer Schützengilde: Dr. Karl Murk, Archivoberrat im Hessischen Staatsarchiv Marburg und „Hakenbüchsenschütze“ der Schützengilde Landau, schreibt in seinem Buch „Die Schützengilde Landau in fünf Jahrhunderten“ (Seiten 32, 33):

Bei Bedarf wurden die Schützenkompanien in das sog. Landesaufgebot integriert, das alle waffenfähigen Männer umfasste … Angesichts des drohenden Einfalls bayerischer Truppen beschlossen die Vertreter von Ritterschaft und Städten am 11. April 1584, die waldeckisch-westfälische Grenze militärisch abzusichern. Zu diesem Zweck wurden zunächst einmal Listen der zu mobilisierenden Wehrmänner angefertigt… Sachsenhausen 164 Wehrmänner (darunter 63 Schützen) …

Zuvor galt ein Beleg in der Stadtkassenabrechnung von 1592 als das Dokument der Ersterwähnung: „Die Stadt hat den Schützen und Schießgesellen 5 Ellen Parchen zum Besten gegeben und denselben auch 8 Viertel Bieres verehret“. Ab dieser Zeit zeugen regelmäßige Eintragungen in den Stadtkassenabrechnungen von der Schützengilde, Freischießen, Dechanten und König werden genannt, Abrechnungen von Freischießen und Schnadezügen finden sich in den Zahlenwerken.

Schnadezüge sind in Sachsenhausen bereits seit 1551 erwähnt, wobei die Waldeckische Landordnung von 1525 diese explizit vorschriebt. In einer Stadtsatzung aus der Nachbarstadt Waldeck von 1530 ist bereits eine detaillierte Grenzbeschreibung der Grenze zu Sachsenhausen enthalten. Hier ist also noch Platz und Potential für weitere geschichtliche Nachforschungen.

Solche Forschungen sind auch noch zu einem Ereignis weit vor der Mitte des 16. Jahrhunderts geboten. Ebenfalls Karl Murk erwähnt den sogenannten Westfälischen Landfrieden Kaiser Karls von 1371/1372, dem am 15. Mai 1374 Heinrich (der Eiserne), Graf zu Waldeck, „für sich und alle seine Erben bei (tritt und zugleich) seinen Städten Corbach, Wildungen, Sassinhusin und Mengerinchusin und allen (..) Bürgern und Untersassen seines Landes…“ beitritt. Die Nennung von nur vier seiner Städte kann den Schluss nahelegen, dass diese nicht nur befestigt sondern auch besonders bewaffnet waren, was i.d.R. durch Schützengilden geschah. „Stadtknechte“, wie sie in Sachsenhausen hießen, also bewaffnetes hauptamtliches Personal der Stadt, sind für Sachsenhausen erst viel später genannt.

Dieser weit in das späte Mittelalter hineinreichende Hinweis geht sogar über eine Jahresangabe hinaus, die eine Erzählung über die Gründung der Sachsenhäuser Schützengilde, 1929 abgedruckt in der Waldeckischen Landeszeitung, nennt. Ein C. Helmah beschreibt dort Geschehnisse aus dem Jahre 1498. Wilhelm Hellwig, der große Korbacher Heimatforscher nennt das Jahr „um 1500“ wenn es um die Gründung bzw. das Bestehen einer Sachsenhäuser Schützengilde geht.

Sei es wie es sei, die Geschichte C. Helmahs war auf jeden Fall Grundlage des Schauspiels „Der wundersame Christian“ zur Feier „700-Jahre-Stadtrechte“ in 1946.

Darsteller des Festspiels „Der wundersame Christian“, Feier 700-Jahre-Stadtrechte in 1946

Für die Heimatforscher bleibt also noch einiges zu entdecken und auch geradezurücken. Der in der Geschichte Helmahs als Gründungsstifter genannte Heinrich „der Eiserne“ war in 1498 bereits gut 100 Jahre verstorben, zusammen mit dem Hinweis Murks auf den Westfälischen Landfrieden 1374 aber könnte ein Entstehen der Gilde zu Sachsenhausen in den späten Jahren des 14. Jahrhundert und damit ein Zusammenhang mit Heinrich dem Eisernen durchaus möglich sein – könnte.

Die Jahreszahl 1604 im Vereinsnamen der heutigen Schützengesellschaft stützt sich auf eine erhaltene Mitgliederliste mit 23 eingetragenen Namen aus diesem Jahr. In seiner „Geschichte der Schützengesellschaft“ schreibt Otto Ihm dazu: „Auf Grund vorhandener Aufzeichnungen ist anzunehmen, dass das Jahr 1604 als Gründungsjahr (…) (und) die vorhandene Liste aus 1604 mehr Aussicht (hat), als erstes Lebenszeichen der Schützengesellschaft angesehen zu werden“.  In den späten 1980er Jahren hat Heinz Dümke dann aber in den Unterlagen des Stadtarchivs die bereits erwähnten weitaus älteren Dokumente aus den Jahren 1592 und dann 1597 gefunden („Die Schützen haben am 26. Juni 1597 zum König geschossen. Dazu hat Ihnen die Stadt 33 Viertel Bier geschenkt“, Ausgabe: „6 Gulden, 6 Schilling, 6 Pfennig“).

Otto Ihm schreibt über das vorliegende Dokument aus 1604 ergänzend: „Das genaue Gründungsdatum war darin angegeben, leider sind aber infolge der mangelhaften Aufbewahrung der alten Akten Silberfischchen hineingeraten und haben die ersten Seiten gerade an der Stelle der Jahresangabe zerfressen.

Das Wiederauftauchen der Erzählung von C. Helmah war Anlass, das Gründungsjahr des Vereins von einem ausgewiesenen Experten Waldeckischer Geschichte überprüfen zu lassen. Auf Anfrage schrieb Dr. Gerhard Menk, seinerzeit Archivoberrat beim Staatsarchiv Marburg, in einem Brief vom 15.01.1993 an die Schützengesellschaft unter anderem:

„(…) der (…) Zeitungsartikel von C. Helmah kann zumindest im Hinblick auf den Bürgermeisternamen in den Bereich der Sage verwiesen werden. Denn nachweislich der hier befindlichen waldeckischen Urkunden sind für die in Frage stehende Zeit folgende Bürgermeister nachzuweisen: (…) 1489 – 1491 Lodewich Pappen, 1491 – 1494 Johann und Kurt Queck, 1496 Kurt Queck und Kurt Degenhardt. (…) Hingegen sind die Angaben über einen früheren Nachweis der Schützengilde nicht unbedingt von der Hand zu weisen. So gibt Wilhelm Hellwig (…) den ersten Nachweis der Sachsenhäuser Schützengilde auf  1500 an (…)“ (Aufsatz „Das Schützenwesen in Waldeck“; dort erstellte Übersicht „Die historischen Schützengesellschaften in Waldeck“).

Die Schützengesellschaft 1604 Sachsenhausen e.V. hat die vorliegende Geschichte von C. Helmah auch ohne dass sie einer historischen Überprüfung standhielte dennoch zum Anlass genommen, im Jahre 1996 die Geschützgruppe und die Kanone auf den Namen des vermeintlichen Stifters der Gilde, Graf Heinrich, zu taufen.

Wie konnte sich ein Ort mit Stadtrechten glücklich preisen! Die feste Mauer mit Wall, Gräben, Dornhecke, Türmen und starken Toren schützte Gut und Blut der Bürger, schwerbewaffnete Landsknechte bewachten Tag und Nacht als sog. Stadtknechte die Tore und Türme“ hält Otto Ihm in seiner Chronik der Stadt Sachsenhausen die seinerzeitigen Umstände fest. Den Stadtknecht beschreibt er wie folgt: „Seine Kleidung bestand aus einem Waffenrock, dessen eine Hälfte etwa in schwarz, die andere in (…) rot (war), ebenso die Hose“ „Als (Waffe) hatte ein Stadtknecht (…) eine Hellebarde.

Die heutige Kostümgestaltung und Ausrüstung der Sachsenhäuser Kanoniere nimmt diese historische Beschreibung (zufällig) auf und zum Vorbild.

Erste Erwähnungen von Geschützen und Böllerschüssen findet Heinz Dümke in den Unterlagen des Stadtarchivs bereits für das Jahr 1719: „Am 12.4. wurde „dass Geschütz beschlagen so genandt der Katzen Kop“. Das war auch dringend nötig, denn schon 3 Tage später, am 15. April, ist „ihre Hochfürstliche Durchlaucht hir gewesen“. An anderen Stellen heißt es, dass der Fürst „aus Fremden Landes hir ahn kommen“ bzw. hatte „fürstliche Durchlaucht Durchmarß“. Thomas Bellinger hat „4 Pfund“ und Johannes Hurlandt „5 Pfund Bulber ausgedahn zum freuden schißen“. Diese beiden können also als die ersten Sachsenhäuser Kanoniere bezeichnet werden.

Schon 1751/52 war es in Sachsenhausen üblich, das neue Jahr mit Böllerschüssen zu begrüßen. Die 8 Rottmeister mussten „des Schießens halber in der Neujahrsnacht patroulieren“.

Diese nachweislich 300-jährige Tradition wird heute durch die Geschützgruppe – eine der historischen Gruppen der Gesellschaft –  weitergeführt. Mit ihren `Weckschüssen´ zum Neujahrsmorgen beginnen in vierjährigem Rhythmus die Freischießenjahre.

Freischiessenjahr 1984

Wie schon beschrieben sind seit 1592 Freischießen und Schützenkönige in Sachsenhausen nachweisbar. Die Zahl der genannten und nachweisbaren Regenten hat dabei bereits deutlich die Zahl von 120 überschritten. Mit den nunmehr in vierjährigem Abstand gefeierten Freischießen findet die Reihe in der heutigen Zeit ihre Fortsetzung.

Festabläufe und organisatorische Begebenheiten der Freischießen „der Neuzeit“ (wie sie im Vereinssprachgebrauch heute heißen, seit 1984) sind eng an die überlieferten Traditionen der Freischießen „der alten Zeit“ (bis 1912) angelehnt.

Das Festgeschehen und die Umzüge konzentrieren sich in ihren Hauptprogrammpunkten um das Rathaus und die Kirche herum, die Festzugsaufstellungen entsprechen denen der Zeit vor dem Ersten Weltkriege. Gefeiert wird – wie z.B. auch noch 1946 zur Stadtrechte-Feier „in der Sandkuhle“ am Ortsausgang Richtung Höringhausen/Meineringhausen (damals im Zelt, heute in der Stadthalle).

Antreten der Kompanien, Freischiessenjahr 1912

Es bleibt also viel zu entdecken in der Geschichte der Schützengilde zu Sachsenhausen. Hinweise zu Schützenfahnen, der Ausfall eines Freischießens „in ermangelunge Bieres“, Getreide-, Geld- und Silberspenden der Gildemitglieder, Prinzen die Könige wurden, der Diebstahl des Kleinodes im Jahre 1810, die Festschrift über das Freischießen 1904.

Alles nachzulesen in der historischen Festschrift „Geschichte(n) der Schützengilde zu Sachenhausen“, erstellt von Martin Merhof zum Freischießen 2012. Erhältlich ist das ca. 120-Seiten-Werk für 7,50 EUR über die Schützengesellschaft im Schützenhaus „Waldfrieden“.